Lyrisches Singen: Zu Schuberts Spätstil

Wien, 1828: das Sterbejahr von Franz Schubert. Sechs Wochen vor seinem Tod am 19. November bietet er einem Leipziger Verleger
„3 Sonaten für’s Pianoforte“ an, seine Heine—Lieder und sein Streichquintett – ohne Erfolg. Erst gut zehn Jahre später werden die Klaviersonaten D 958—960 erscheinen. Schuberts letztes Schaffensjahr ist nichtsdestoweniger ein immens produktives; fast alle wichtigen Gattungen bedenkt er mit zentralen Werken: im Januar die f—moll—Fantasie, im März „Mirjams Siegesgesang“, seit April Arbeit an der Es—Dur—Messe, seit Mai an der c—moll—Sonate
D 958 und den „Drei Klavierstücken“ D 946, im Juni Beginn der A—Dur— und B—Dur—Sonate (D 959 und D 960), im August dann die Heine— und Rellstablieder, parallel dazu noch umfangreiche Skizzen zu einem dreisätzigen „Symphonischen Fragment in D“ (D 936a) sowie einer neuen Oper. Erklären ließe sich diese ungeheuere Schaffenskonzentration sicherlich mit Schuberts Ahnung, daß ihm mit seiner Syphilis—Erkrankung nurmehr kurze Lebenszeit bleibe. Weitere Gründe für die fast rauschhafte Produktivität dürften aber auch wachsende Anerkennung seiner kompositorischen Leistung und schließlich Beethovens Tod im März 1827 gewesen sein. Für den eine Generation jüngeren Schubert änderte sich die Situation damit grundlegend, trat er doch zunehmend aus dem Schatten Beethovens heraus und kam nun als derjenige Komponist in Betracht, der die Stafette von diesem übernehmen konnte, dazu „legitimiert“ durch seine große C—Dur—Sinfonie und die Ernennung zum Mitglied des >Repräsentantenkörpers< der ehrwürdigen Wiener „Gesellschaft der Musikfreunde“.

Schuberts Verhältnis zu Beethoven, bis heute nicht wirklich befriedigend erhellt, basierte auf Bewunderung seitens Schubert – „... wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?“ – während Beethoven seinerseits dem um 30 Jahre Jüngeren Anerkennung zollte. Dennoch traf Schubert der Vorwurf, als Instrumentalkomponist übers klassizistische Epigonentum nicht hinausgekommen zu sein. Seine Klaviersonaten wurden von der Nachwelt am Sonatentypus Beethovens gemessen und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verkannte man, daß sie in ihrer völlig andersartigen Konzeption diese vorgegebene Norm gar nicht mehr erfüllen wollten, sondern andere Gestaltungsmittel und Formverläufe ausloteten. An die Stelle zielgerichteter musikalischer Entwicklungsverläufe, einem Dualismus der Hauptthemen und strikter Durchführungen setzte Schubert einen assoziativen Gedankenfluß, irisierende klanglich—harmonische Farbwechsel und Melodien, deren vollendete Schönheit sich nicht zu einer wirklichen thematischen Verarbeitung eignete. Somit lassen sich Schuberts drei späte Sonaten „durchaus auch als Situationsbeschreibung des Komponierens nach Beethovens Tod interpretieren“ (Peter Gülke).

Die klassische Sonatenform ist für Schubert nur noch eine Hülle, auf die er mit einer neuen ambivalenten Sprache reagiert: sie kennt weder Konsequenz noch Geschlossenheit, sondern gibt sich wie in einem Selbstgespräch einem lyrischen Gedanken und dessen Metamorphose hin. Abrupte Stimmungswechsel, Ein— und Ausbrüche, Dur—Moll—Kontraste, Verstummen und Aufbegehren begleiten den melodischen Fluß, der sich scheinbar wie von selbst zu tragen scheint, in seiner Idyllik indes immer wieder bedroht ist. Schubert komponiert eine Musik, die neue Dimensionen der musikalischen Zeit schafft, die Raum und Perspektive öffnet. In diesem Kosmos begegnet uns Schubert als „Wanderer“ zwischen zwei Welten: Neben dem heiteren liedhaften, bisweilen bodenständig—volkstümlichen Tonfall, der eben auch ein Wesensmerkmal seiner Instrumentalmusik ist, finden sich in jedem Werk auch tragische Zuspitzungen und dramatische Einbrüche – die Nachtseite in Schuberts lichtdurchfluteten Schaffen. Melancholische Töne trüben da die vermeintliche Heiterkeit, und Schubert selbst bekannte in diesem Sinne: „Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden.“

Wenn Schubert, am 31. Januar 1797 in Liechtenthal bei Wien geboren und unter äußerst beengten Verhältnissen aufgewachsen, als erster „den Aufschrei, die Gemütserregung des menschlichen Herzens“ – so der Schubert—Biograph M.J.E. Brown – unmittelbar in Musik gesetzt hat, so war damit lange Zeit sicher der Liedkomponist gemeint. Mit der zunehmenden editorischen Erschließung und damit Wahrnehmung seiner Klavier—, Kammer— und Orchestermusik aber entdeckte man die ungeheuere emotionale Kraft des Instrumentalkomponisten Schubert. Diese findet sich besonders in der Trias der drei posthumen Klaviersonaten wie in Schuberts spätem Schaffen insgesamt. Indes von einem „Spätwerk“ oder gar „Spätstil“ bei Schubert zu sprechen, befremdet zunächst angesichts eines nur 31 Jahre währenden Lebens, von dem gerade mal fünfzehn Jahre (1813—28) dem kompositorischen Schaffen gewidmet waren. Und dennoch stellen die Werke des letzten Lebensjahres eine Art „Summa“ der Schubertschen Kunst dar, auch wenn schon in früheren Werken vieles kongenial angebahnt wurde. Bereits die Werke der Frühphase sind unverkennbarer Schubert, doch bringen die Spätwerke – wenn man diese Bezeichnung für die seit ca. 1827 bis 1828 entstandenen Kompositionen denn anwenden will – eine Extremisierung der charakteristischen Merkmale, eine noch zwingendere Unbedingtheit im Ausdruck.

Klaviersonate B-Dur D 960

Lediglich drei Sonaten erschienen zu Lebzeiten Schuberts im Druck (D 845, D 850 und D 894), andere wurden wenige Jahre nach seinem Tod von Freunden aus dem Nachlaß herausgegeben und erhielten posthume Opuszahlen. Hierzu gehört die monumentale B—Dur—Sonate D 960: Sie ist die letzte der drei posthumen Sonaten und damit die letzte Instrumentalkomposition Schuberts überhaupt.

Lyrisches Singen bestimmt ihren Grundton, nicht das Austragen dramatischer Kontraste oder gar motivisch—thematische Arbeit. An die Stelle zielgerichteter Abläufe wie bei Beethoven setzt Schubert ein freies fabulierendes Fließen, ein Umkreisen und Weiterspinnen eines Hauptgedankens, eine entspanntere, mitunter kontemplative Tonsprache. Lang ausgesungene, fließende Melodiebögen im Kopfsatz, dagegen ein abgründiges Andante, ein heiteres Scherzo und schließlich ein bewegtes Schlußrondo stecken den weiten Rahmen ganz unterschiedlicher Empfindungsbereiche dieser formal wie inhaltlich ungemein reichen Sonate ab.

Der erste Satz, „Molto moderato“, ist ganz nach innen gewendet und von einer außerordentlichen, in sich kreisenden Poesie. Die extrem lang gedehnte Exposition bringt harmonische Umbrüche und einen zerklüfteten, immer wieder stockenden Melodiefluß, der „in seinem Zeitverlauf das Bild von Ermüdung und Resignation“ (Dieter Schnebel) nachzuzeichnen scheint. Die Bewegung wird gestaut durch einen markanten grollenden Baß—Triller und durch Generalpausen, so daß schon das Hauptthema selbst stets aufs Neue bedroht ist von der „Gefahr des Verstummens“ (Peter Gülke). Fast hat es den Anschein, als setze Schubert hier seine Musik aufs Spiel, indem er sie mit Brüchen konfrontiert, die Grundtonart verschleiert, Hell und Dunkel, Dur und Moll aufeinanderprallen läßt und musikalische Profile schafft, um sie sogleich wieder aufzulösen. Um nochmals mit Peter Gülke zu sprechen: „Schuberts Musik bezahlt die lyrischen Paradiese teuer... dem Maß der Erfüllungen entspricht dasjenige ihrer Bedrohungen.“

All dies wird offensichtlich in der wechselvollen Gestaltung der zarten und zugleich erhabenen Melodie des Hauptthemas. Sie beginnt sehr vage mit melodisierten B—Dur—Klängen, deren Teiltöne sich über zwei Oktaven türmen. Der düstere Baß—Triller auf dem Kontra—Ges und eine Fermate setzen den schweifenden Klängen eine Zäsur. Es folgt ein zweiter Ansatz zu thematischer Entfaltung, der erneut im Halt durch Baß—Triller und Fermate endet, dann ein drittes Herantasten in weiträumigen Akkordbrechungen, im Sopran liegt die eigentliche Melodie, nun nicht mehr in Akkorden. Die pendelnde Achtel—Begleitung ist inzwischen einer Sechzehntel-bewegung gewichen, in größerem Bogen wird Ges—Dur anvisiert. In weiteren Anläufen wandert die Melodie vom Sopran in die Tenor— bzw. Baßstimme, bekommt zusätzliche Präsenz durch ein gefordertes Forte, moduliert in abgelegene Bereiche. In ihrem Fluß wird die Melodie so zu „einer quasi unendlichen Klangmelodie, die immer neue Räume erschließt“ (Dieter Schnebel). Ins Stocken jedoch gerät der Zeitfluß durch die retardierenden Momente der Fermate und des für Irritation sorgenden Trillers: dieser bewirkt eine Verwischung der Zeit, wird zum dunklen Fleck, der zum Aussetzen des Pulses führt.

Der zweite Satz, „Andante sostenuto“ in cis—moll, steht dem ersten an innerer Gewichtung nicht nach: zum Ausdruck kommt hier einerseits ein schwermütiger Pessimismus, der auf der anderen Seite gebettet ist in zarte lichte Melodik, mit der ein versöhnlicher, friedvoller Ton Einzug hält. Unverhoffte harmonische Lichtwechsel durchziehen den Satz, der in seinen beiden Außenteilen mit einem extremen Überschlag der linken Hand arbeitet. Der unbeirrbar gleichmäßigen, fast starren Begleitung des Beginns folgt eine feierlich—erregte Sechzehntelbewegung im Mittelteil in der Paralelltonart A—Dur. Die Reprise des Satzes schließlich hält noch harmonische Chromatisierungen von großem Zauber bereit, und so verwundert es nicht, daß gerade dieser langsame Satz von der Nachwelt vielfach als Schuberts musikalisches Vermächtnis betrachtet wurde. Für Alfred Einstein bedeutete er „Abschied und Verklärung“, „Höhepunkt und Apotheose von Schuberts instrumentaler Lyrik“.

Es folgen ein Scherzo in B—Dur und ein Trio in b—Moll von anmutiger Leichtigkeit. Doch selbst diese entpuppt sich bei näherem Hinsehen als schöner Schein, denn der extrem leise einsetzende Satzbeginn scheint aus einer geradezu irrealen Welt herüberzutönen. Im Trio dann sorgen nervöse Akzente und synkopierte Rhythmen für Irritation.

Auch im Finale bleibt die Leichtigkeit ambivalent, der Rondosatz konfrontiert den Hörer mit dramatischen Brüchen und die erwartete Rondo—Heiterkeit mag sich nicht recht einstellen. Vielmehr knüpft der Allegretto—Satz an die Gestaltungsmittel des Sonatenbeginns an: wie schon im ersten Satz, geht es wiederum um die Gestaltung von Zeit, um das Vergehen von Zeit. Hier indes hält die Zeit nicht inne, sondern wird aufgehalten. Kein Baß—Triller bewirkt dies, sondern ein forte—piano anzuschlagender Ton, der der aus ihm hervorsprudelnden Musik immer wieder Einhalt gebietet. Es ist, als würde Einspruch eingelegt gegen den Fluß der Musik wie gegen den Fluß der Zeit überhaupt – gegen ihr Vergehen. Eine Allegorie auf das eigene nahe Ende, eine Analogie des Endes ganz allgemein? In seinem grundlegenden Schubert—Essay „Auf der Suche nach der befreiten Zeit“ (1968/69) fand Dieter Schnebel folgende Deutung dieses Schluß—Rondos: „Das verborgene Diminuendo des ganzen Stücks, das in den herausstechenden Sforzati der einzelnen Töne seine punktuellen Marken hat, registriert versiegende Kraft – ahnende Darstellung des bevorstehenden Todes.“

3 Klavierstücke D 946

Einen wesentlichen Beitrag zur Klaviermusik der Romantik leistete Schubert neben seinen Sonaten mit den Zyklen von Klavierstücken: den zwei Sammlungen der „Impromptus“ (1827), den „Moments musicaux“ (1828) und den „3 Klavierstücken“. Daß diese fast zeitgleich mit der letzten Sonaten—Trias entstandenen drei Klavierstücke große Nähe zu dieser besitzen, beweisen unzählige gemeinsame Merkmale.

Konnte Schubert als Sonatenkomponist neben dem „Titan“ Beethoven noch Jahrzehnte nach seinem Tod nicht bestehen, so gelang ihm dies zumindest als Meister der kleinen Form – des Liedes und des kurzen einsätzigen Klavierstücks, in denen er zu einer ungemeinen Komprimierung des Ausdrucks fand : Die
„3 Klavierstücke“ D 946 sind solche bekenntnishaft—intimen Werke aus dem letzten Lebensjahr, Charakterstücke, die mit nach-lassender Popularität der Klaviersonate in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer beliebter wurden.

Die Niederschrift von Nr. 1 und 2 datiert zu Beginn von Nr. 1 mit Mai 1828, die Niederschrift von Nr. 3 ist undatiert und erfolgte auf anderem Papier, doch legen Ähnlichkeiten im Schriftduktus und der musikalischen Faktur eine gemeinsame Enstehungszeit und Zusammengehörigkeit nahe. Anders als die „Moments musicaux“ D 780 erschienen die drei Klavierstücke nicht schon zu Schuberts Lebzeiten im Druck, sondern wurden erst 1868, vierzig Jahre nach seinem Tod, in drei separaten Heften anonym herausgegeben von Johannes Brahms. Für diesen spielte der zyklische Aspekt offenbar keine Rolle.

Das erste Stück in es—Moll ist ein energievoll dahinjagendes „Allegro assai“, in dem Tonart, Tempo und Dynamik mehrfach auf kleinstem Raum wechseln (wie im zweiten Klavierstück auch). Episodische Einschübe sorgen für starke Kontraste, neuartige Tremolando—Effekte für eine düster—unheimliche Stimmung. Das Stück, begonnen in es—Moll, endet in Es—Dur. Das zweite Klavierstück setzt nahtlos auf demselben Grundton ein, so daß beide Stücke ineinander überzugehen scheinen. Formal ist das bemerkenswert lyrische zweite Klavierstück ein lose gefügtes, tonal weitgespanntes Rondo mit sanglichen Außenteilen, denen ein im Pianissimo beginnender, beklemmend wirkender c—Moll—Teil und ein fiebrig—unruhiger as—Moll—Teil gegenübergestellt sind. Episoden von berückender Zartheit und erschreckender panischer Unrast treffen hier aufeinander – Schuberts Welt ist zerrissen von schroffen, unüberbrückbaren Gegensätzen. Von heftigen Synkopen geprägt sind die Ecksätze des letzten Stücks, ein Allegro in C—Dur, das mit wirbelndem Schwung vordergründig an einen slawischen Tanz erinnert. Im modulationsreichen Trio—Mittelteil überrascht Schubert indes mit faszinierenden Farbwechseln, die er der geradezu hypnotischen Monotonie eines immer gleichen Rhythmus entgegensetzt.

Warum ein Hammerflügel?
Zum Instrument der Einspielung

Für die vorliegende Aufnahme wurde ein originaler Conrad Graf- Hammerflügel aus der Sammlung des Holländers Edwin Beunk gewählt: Das 1835 erbaute Instrument hat vier Pedale und damit vier Möglichkeiten der Klangveränderung: Verschiebung der Klaviatur, so daß von dem mehrchörigen Bezug nurmehr eine Saite durch die Hämmer angeschlagen wird (una corda), ein doppelter Zackenzug moderiert die Lautstärke (Moderator und Doppel-moderator), das vierte Pedal schließlich übernimmt die Dämpfungs- aufhebung. Die Hammerköpfe sind lederüberzogen, der Rahmen ist durchgehend aus Holz. Ein Instrument, wie es von Schubert zu Lebzeiten gespielt wurde. Conrad Graf (1782—1859) galt als einer der hervorragendsten Klavierbauer seiner Zeit, sein Ruf verbreitete sich von Wien aus über ganz Europa. Für Beethoven fertigte er einen Flügel, der junge Chopin und Franz Liszt spielten seine Instrumente, und die gefeierte Klaviervirtuosin Clara Wieck bekam ein Klavier geschenkt zu ihrer Hochzeit mit Robert Schumann. In der vorliegenden Einspielung nun ist dieser Graf—Flügel aus der Sammlung Edwin Beunk erstmals auf CD zu erleben.

Beim ersten Höreindruck besticht sein schwebend—schlanker, transparenter Klang – schließlich lastet auf dem Holzrahmen ein Saitenzug von lediglich 6000 kg, während es der Stahlrahmen eines modernen Flügels mit durchschnittlich 20.000 kg aufnehmen muß. Die Darbietung auf dem historischen Hammerflügel statt einem modernen Flügel verleiht Schuberts Strukturen noch größere Klarheit. Vollstimmige Akkordstellen (z.B. im rein akkordischen Mittelteil des Klavierstücks D 946 Nr. 3) werden nicht als Harmonie gehört, sondern als mehrschichtige Klänge bestehend aus Einzelstimmen, d.h. ein sechsstimmiger Akkord wird tatsächlich in seinen sechs Stimmen bzw. Einzeltönen nachvollziehbar. Hinzu kommt eine größere Farbigkeit des Klangs, der wesentlich obertonreicher ist. Die einzelnen Register besitzen eine eigene Charakteristik und erlauben damit ein bewußtes Auskosten von Registerwechseln, die im Unterschied zum modernen Instrument nicht ausgeglichen sind (es gibt also deutliche Klang—Unterschiede zwischen Diskant und Baß).

Es sind die vielfältigeren Möglichkeiten der Klangdifferen-zierung, die für die Wahl dieses historischen Graf—Flügels sprechen. So empfindet es auch der Pianist dieser Einspielung, Nikolaus Lahusen: „Gerade die Musik von Schubert, die immer zwischen zwei Welten reist, die uns unvermittelt in Brüche stürzen kann, die uns wie kaum eine andere Musik verdeutlicht, daß der Tod untrennbar mit dem Leben verbunden ist, braucht ein Instrument mit mehreren Ebenen. Mit klanglichen Differenzierungs-möglichkeiten, damit die typischen Dur—Moll—Brüche Schuberts als ein tiefes Erlebnis wahrhaftig werden. Aufregend und transparent klingen nun so bekannte Details wie der Baßtriller vom Sonatenbeginn, die harmonischen Rückungen des Andante, die Sforzati im Trio des Scherzos oder ganz einfach das Thema des letzten Satzes: erst auf dem Hammerflügel hört man, welch klangliche Welten zwischen dem Thema und seiner sofortigen Wiederholung eine Oktave höher liegen: beim modernen Flügel ist es schlicht eine Oktave höher, während sie auf dem Hammerflügel von einer anderen Klangwelt zu stammen scheint“.

Susanne Schmerda